Vater der Türken
Am Ende des durchgreifenden Reformprozesses stand eine Änderung des Namensrechts, das zu einer effektiveren Verwaltung des Personenstandswesens führen sollte und wiederum an westliche Muster anknüpfte: Jedem Bürger der Türkei wurde ein Nachname zugeordnet. Mustafa Kemal erhielt von der Nationalversammlung den Namen Atatürk (Vater der Türken) als Nachnamen. Für einige Vertraute und Weggefährten suchte er die künftigen ehrenden Nachnamen aus, so auch für Ismet Pascha, der wegen seiner Verdienste im Befreiungskrieg gegen die Griechen nach dem Ort seiner beiden großen Schlachtenerfolge den Nachnamen İnönü erhielt. İsmet İnönü hat als Ministerpräsident über viele Jahre Mustafa Kemal Atatürk von der alltäglichen Regierungsroutine entlastet und wurde nach dessen Tod sein Nachfolger als Staatspräsident.
Atatürks Namenswahl und die Ehrenbezeugungen, die der Staatsgründer der türkischen Republik auf sich vereinte (1926 wurde in Konya ein erstes Denkmal errichtet, dem ungezählte weitere im ganzen Lande folgten, s.u.), entsprachen den zeittypischen Formen des Personenkults in autoritären Regimen, haben aber zugleich eine bis heute fortwirkende integrierende Wirkung für das türkische Staatswesen entfaltet. Atatürk hat mit seiner Person als Freiheitskämpfer, Staatspräsident und oberster Lehrer der Nation das Vakuum gefüllt, das mit der Abschaffung von Sultanat und Kalifat sowie mit der erzwungenen Abkehr von herkömmlichem Brauchtum zum Zwecke der Modernisierung einherging. Er hat es zweifellos auch als seine Aufgabe angesehen, seinem nach der Kriegsniederlage in gänzlich neuem staatlichen Rahmen zu organisierenden Volk das nötige Selbstbewusstsein und einen Stolz zurückzugeben, ohne die es wohl kaum einen annähernd stabilen neuen Staatsverband hätte bilden können. Er ist dabei sehr weit gegangen, nicht nur, indem er die Wurzeln des Türkentums in Mittelasien bis auf Attila und Dschingis Khan in glorifizierender Absicht zurückgeführt hat, sondern vor allem, indem er die Lehrmeinung hat verbreiten lassen, die Türken seien das älteste Volk der Welt, von dem die anderen Völker direkt oder indirekt abstammten (vgl. Gülbeyaz, S. 199).

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